Geschichte
Alicia war ein 12ähriges Maedchen, von strahlender Schönheit, mit einem Gesicht voller Sommersprossen, die einen lustigen Kontrast mit ihrer dunklen Haut bildeten. Wie alle indigenen Frauen von Otavalo trug sie ihre blauschwarz schimmernden langen Haare bis zur Hüfte, eingewickelt in einem bunten Tuch zu einem Pferdeschwanz geflochten. Seit 2 Monaten lebte ich nun schon in diesem kleinen Dorf in den Anden auf 3000 m Höhe in Ecuador. Alicia und ich waren Freundinnen geworden. Ich arbeitete mit ihr in der Pizzeria Siciliana, die von der Metisfrau Aida geleitet wurde, welche Pizza backen aus einem italienischen Kochbuch gelernt hatte. Selbst hatte sie nie eine andere Pizza gegessen, ausser die die sie selbst backte, aber ich muss sagen die schmeckte hervorragend. Es gefiel mir gut, Alicia bei der Arbeit zu betrachten , wie sie redete. Sie war flink, geschickt, auf ihre Art weise. Oft dachte ich darüber nach, wie eine Frau in diesen Ländern anders aufwächst als in unserem Land. Eines Tages, nach der Arbeit, spazierten wir ohne Ziel durch die Felder am Rand des Dorfes. Es kam noch eine andere Frau mit uns und wir wanderten plaudernd den Weg entlang. Die Gangart der zwei Frauen aus Otavalo war sehr verschieden von der Meinen. Mein Schritt war wie üblicherweise schnell, efficient, so wie die Welt in der ich zuhause lebte, es wurde keine Zeit verschwendet, so wie es in der deutschen Kultur üblich war. Alicia und Marcela hingegen hatten einen ruhigen, ein wenig schlurfenden Gang. Ohne es zu wollen, war ich andauernd einige Meter vor ihnen und musste anhalten um auf sie zu warten. So ging es einige Male, sie holten mich ein, ich machte einige Schritte mit ihnen und war schon wieder ein Stück vor ihnen. während ich auf sie wartete sagte ich mir sogar: “Mein Gott, sind die langsam, so werden wir nie ankommen!” Plötzlich schaute Alicia mich lächelnd an und sagte: “ Katja, wo musst du denn hingehen?”Die Welt blieb für einen Moment stehen,,,,,,ja, wo eilte ich denn hin? Warum war es mir nicht möglich, langsam zu gehen, den Nachmittag und ihre Anwesenheit einfach nur zu geniessen? War es mir nicht möglich, im Augenblick zu sein? Reichte die Gesellschaft meiner Freundinnen und die wundervolle Natur mir nicht? Warum musste es einen praktischen Grund, ein praktisches Ziel geben? Ich glaube den restlichen Weg habe ich nichts mehr gesagt, habe nach innen gelauscht. Alicia, dieses 12jaehrige, froehliche Mädchen hatte, ohne es zu wissen mir eine der wertvollsten Lektionen meines Lebens geschenkt. Als nach ca. 8 Monaten des gemeinsamen Lebens in Otavalo der Moment der Abreise kam, nahm Alicia ihr Armband von ihrem Puls ab, legte es um den meinen und sagte:” Katja, ich schenke dir mein Armband, Symbol der Frauen von Otavalo, weil du die einzige Gringa mit dem Herz einer Indigenen Frau bist.” Das war fuer mich ein Moment voll von tausend Bedeutungen, Anerkennung und Dankbarkeit! Ich war glücklich! Die Frauen von Otavlo tragen an beiden Handgelenken diese roten Perlenarmbänder, die sie die “andere Koralle” nennen. In Wahrheit sind es Imitationen aus einer Glasperlenmischung, die sehr grob geschnitten wird und so der Koralle sehr ähnelt (nur sehr wenige, wirklich nur ein paar, haben echte Korallenarmbänder). Dieses Armband von Alicia habe ich 20 Jahre lang fast immer getragen. Ich hatte es am Handgelenk wie ich geheiratet habe, als meine Kinder geboren sind und bei allen wichtigen Momenten meines Lebens habe ich es angeschaut und seine Kraft gespürt. Selten habe ich es abgelegt oder anderes getragen. Es war für mich ein bedeutsamer Gegenstand, auch wenn ich seine wirkliche Bedeutung und Kraft erst verstanden habe, als ich , vor 10 Jahren Cristina und Andi vom Frauenkreis der Schwesternschaft begegnet bin. Durch die Teachings des Wissens von Diane See Dancer (www.dolcemedicina.it Cerchio Sacro delle Donne) habe ich in dem Armband die rote Linie erkannt, die uns Frauen verbindet und die alle Frauen mit der Grossen Mutter Erde verbindet, die uns trägt. Durch die Schwesternschaft habe ich einige der vielfachen Bedeutungen dieses Armbandes erkannt und ihren Wert begreifen gelernt. Letztes Jahr, im Oktober 2012 habe ich mich von meinem Mann nach 23 Jahren Ehe getrennt. Ich dachte ich waere bereit für diesen Schritt, musste aber feststellen, dass dem überhaupt nicht so war und dass eine Trennung von jemandem der so lange Zeit, gute wie auch nicht so gute Momente mit dir geteilt hat, wirklich keine einfache Sache ist. Ich bin durch eine sehr dunkle Zeit gegangen, eine wirklich dunkle Zeit, wo ich dann auch noch meine Arbeit verloren habe und ich mich völlig allein und verloren fühlte. Das Armband von Alicia das ich am Handgelenk trug brach auseinander. Glücklicherweise brach es in meinem Haus und so konnte ich die Perlen aufsammeln und sie wieder einfädeln. Nein es konnte mich doch nicht grade jetzt im Stich lassen! Das Armband ist fast 2 m lang und wie ich so eine kleine Perle nach der anderen einfädelte kam ich in einen meditativen Rythmus mit Imaginationen und Gedanken, bis schliesslich die Perlen zu Frauen wurden: ….”Vielleicht weint diese grade wie ich, diese heiratet gerade, diese gebiert jetzt ihr Kind, diese unterrichtet vielleicht, diese ist Oma und wiegt grad ihren Enkel, diese kocht, diese tanzt und singt, das ist eine Weise, das ist eine Schülerin”…so ging es fuer ca. 1 Stunde und ich war bei der Hälfte angelangt. Da hielt ich inne und fragte mich? Und ich, wo bin ich? So habe ich eine silberne Perle eingefädelt und gesagt: “In der Mitte all dieser Frauen bin ich! Diese Perle stellt mich dar und errinnert mich, dass ich mir alle Aufmerksamkeit und Pflege schenke, die ich brauche. Ich darf und will mich selbst nicht vergessen, wer ich bin, der Kraft, die in mir ist und all der Perlen die um mich sind!” In dieser Klarheit habe ich die andere Hälfte der Perlen aufgefädelt. Seit diesem Moment trage ich das Armband mit einer höheren Absicht und heute, fast ein Jahr danach spüre ich, dass ich mein Erlebnis mit anderen Frauen teilen muss. Ich habe gedacht, dass es auch für meine Schwestern ein bedeutsamer Gegenstand sein könnte, der sie, so wie mich, auf ihrem Weg unterstützend begleitet. So habe ich mit der Hilfe einer liebe Freundin meine Geschichte auf Facebook pubbliziert. Die Bedeutung des Armbandes der Schwesternschaft gefällt Vielen. Es ist ein Symbol geworden und viele Frauen in Italien und nicht nur dort, tragen es am Handgelenk. Dafür bin ich dankbar und geehrt! In Liebe Katja Dezember 2013